Aktualisiert am:
18.01.2020
Der OT Schwanebeck:
(the town district Schwanebeck)
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Mit dem Gemeindegebietsreformgesetz des Landes Brandenburg wurden per Gesetz folgende ehemaligen selbstständigen Gemeinden des Amtes Nauen-Land der Stadt Nauen als Ortsteile (in Klammern die zugehörigen Wohnplätze)) eingegliedert: Berge, Bergerdamm (Bergerdamm-Lager, Bergerdamm-Hanffabrik, Hertefeld), Börnicke (Börnicke, Ebereschenhof), Groß Behnitz (Gr. Behnitz, Quermaten), Kienberg (Kienberg, Teufelshof), Klein Behnitz, Lietzow (Lietzow, Utershorst), Markee (Markee, Markau, Neugarten, Neuhof, Röthehof), Ribbeck, Tietzow, Wachow (Wachow, Gohlitz, Niebede). Die Ortsteile Neukammer, Weinberg (heute Waldsiedlung) und Schwanebeck gab es schon vorher.

Der OT Schwanebeck (The city-district Schwanebeck)

Schwanebeck war, anders als Neukammer, ein eigenständiger Ort im Landkreis Westhavelland. Bestehend aus einem Gut und wenigen festen Häusern, von denen das dem Herrenhaus am nahesten liegende als Schnitterkaserne für die polnischen Saisonarbeiter diente, die alljählich mit ihren Sensen die Getreidefelder des Gutsbesitzers abmähten. Und solche Felder gab es viele um den Ort.
Im Jahre 1939 zählte man in Schwanebeck 202 Einwohner.










Das größte Gebäude war das Herrenhaus (rechts im Bild als langes Dach von der Rückseite her erkennbar), umgeben von einem herrlichen Park.

LINKS: Dies ist meine Rekonstruktions-Version von der Vorderseite des Herrenhauses. Aus meiner Erinnerung heraus, müsste diese in etwa so ausgesehen haben.
Kirche und Herrenhaus Schwanebeck im Jahre 1994. / Church and manor house from Schwanebeck in the year 1994.

Auch eine gut anzuschauene Klein-Kirche steht noch heute im Ort. Im winzigen Turm befindet sich eine Glocke aus dem Jahre 1751.
Offensichtlich stammt sie noch aus einem vergangenen Kirchenbau der Gemeinde.

Im Inneren zeugt folgende Inschrift von den Stiftern dieses Kirchleins:
Drei Witwen
Caroline von Bredow geb. Gräfin Chasot,
Caroline von Bredow geb. von Arenstorff,
Anna von Bredow geb. von Stwolinska
haben zur Ehre Gottes und zum Andenken
an ihre Heimgegangenen diess Gotteshaus
erbauen lassen. 1879

RECHTS: Dieses Kleinod wurde nach romanischem Vorbild aus Rathenower Klinker erbaut.
Auf Initiative eines zugezogenen Ehepaares hat man nun dieses Bauwerk offiziell unter Denkmalschutz gestellt. Beim Bau wurden rote Ziegel der Firma "M. Schulze" aus Rathenow verwendet. Den Fußboden gestaltete man ebenfalls aus Ziegeln und als Gegenstück existiert eine Holz-Kassettendecke. Drei große Rundbogenfenster auf jeder Seite sorgen für viel Helligkeit im Raum. Selbst einen Altar und eine kleine Orgel soll es gegeben haben. Der kleine Kirchhof um das Bauwerk wird noch heute genutzt.

Erstmals im Jahre 1179 urkundlich erwähnt gibt es aus dem Jahre 1216 Hinweise auf die Existenz einer Tochterkirche der Gemeinde Niebede im Ort. Von 1418 bis 1539 war die Dorfstelle wüst.
Schwanebeck war in seiner Vergangenheit durch die Herrschaft derer von Bredow eng mit den Nachbarorten Markee und Markau verbunden. Im Jahre 1539 wurde die Familie von Bredow mit Schwanebeck belehnt und die Länderei in vier Besitzungen aufgeteilt. Zwei davon erhielt 1698 Henning Caspar II. von Bredow, der auch die Kirche in Markau erbauen ließ. Der direkten Linie Henning Caspars II. entstammte Christoph August von Bredow (1780 -1844), der nach dem Tod seines Vaters bei seinem Onkel Asmus Wilhelm auf Prillwitz bei Hohenzieritz 1) lebte.
Asmus Wilhelm (1731-1799) erbte das Gut des letzten Bredow in Markau, seines Vetters Henning Caspar IV.
Bild: Dies ist meine Rekonstruktions-Version von der Vorderseite des Herrenhauses. Aus meiner Erinnerung heraus, müsste diese in etwa so ausgesehen haben.

Dazu gehörte auch das Gut in Schwanebeck. Hier baute er sich nach 1788 ein schlichtes aber nobles Herrenhaus.
Karl Friedrich Wilhelm von Bredow (1796-1862) erbte 1844 Schwanebeck und vergrößerte das Herrenhaus auf seine heutigen Ausmaße.
Das damals ebenfalls entstandene Verwalterwohnhaus ist heute noch teilweise erhalten und bewohnt. Baulich ist es durch Teil-Abriss und unfachmännisch ausgeführten Anbauten von seinem Ursprungszustand weit entfernt.
Seinen Höhepunkt hat Schwanebeck mit Christoph August erlebt. Als Vorsitzender der 1776 gegründeten "Allgemeinen Wittwen-Verpflegungs-Anstalt" und als einer der Direktoren der Haupt-Ritterschaft der Kur- und Neumark gehörte er zwar fest der Berliner Gesellschaft an, blieb aber der Landwirtschaft verbunden. Die Bekanntschaft mit Albrecht Daniel Thaer (1752-1828), dem wohl berühmtesten Agrarreformer der Mark Brandenburg, hat sich wohl positiv auf die Bewirtschaftung des Gutes Schwanebeck ausgewirkt. Bredow setzte konsequent dessen Lehren um und durch eine auf Effizienz ausgerichtete Landwirtschaft gelang es ihm, dem Sandboden solche Erträge zu entreißen, die der Familie das Überleben auf Schwanebeck sicherten.
Christoph August von Bredow starb 1844 2).
Noch nach 1910 blieb Schwanebeck mit seinem elfachsigen Bau und einem herrschaftlichen Wohngeschoss auf ungewöhnlich hohem Sockel Wohnsitz derer von Bredow.
Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurde Schwanebeck an den Grafen Wilhelm von Redern verkauft. Er selbst fiel 1914 an der Front und seine Schwester, Gräfin Viktoria Maria von Redern, trat als Erbin an. Zwischen den beiden Weltkriegen war unter anderem Arthur Schurig (1869-1932) Pächter der Gutsbesitzung von Schwanebeck.
Schurig war damals Deutschlands größter Hanfproduzent und nannte mehrere Besitzungen im Havelland und darüber hinaus sein Eigen.

1917 wohnten im damaligen Gutsbezirk Schwanebeck 475 Einwohner. Die Post wurde aus Groß Behnitz in die im Amtsbezirk Tremmen liegende Guts-Gemeinde geliefert. Zum Standesamt musste man ebenfalls nach Tremmen fahren oder gehen. Dagegen befand sich das zuständige Amtsgericht und das Hochbauamt in Nauen. Pfarrer Dietz aus Tremmen betreute die kleine Seelengemeinde im Westhavelland.

1945 diente das ehemalige Herrenhaus als Übersiedler-Unterkunft und die Gutsflächen wurden im Zuge der Bodenreform auf fast 100 neue Eigentümer aufgeteilt.
Die vorübergehende Nutzung mit Wohnungen, Gaststätte und Verkaufsstelle konnten den Verfall des Hauses nicht aufhalten, obwohl das Haus unter Denkmalsschutz steht.
Seit 1990 steht es völlig leer und zerbröckelt nun nach dem Dacheinsturz zusehens.

1) Hohenzieritz: Sommersitz der regierenden Herzöge von Neustrelitz. Am 19. Juli 1810 stirbt hier die Preußische Königin Luise, Ehefrau von Friedrich Wilhelm III., an einer nicht erkannten Lungenentzündung.
2) Dieser Bredow soll sich mitsamt seinem Lieblingspferd unweit des Sees auf der Südseite haben begraben lassen.
Diesem Gerücht folgend suchte der Neu-Schwanebecker R.J. dieses Grab und fand tatsächlich eine Stelle mit einem Findling inmitten einer großen Brombeerhecke. Diesem Stein ist in etwa 2 Meter Abstand eine aus Ziegelsteinen umrandete Stelle vorgelagert. Der ursprüngliche Grabstein soll nach dem Zweiten Weltkrieg bei einem Steinmetz in Nauen gelandet sein.

... und dies ist der Anblick im Jahre 2001...
Es ist so traurig, da fällt einem nur noch ein Slogan aus der Vor-Wendezeitbewegung ein: "Ruinen schaffen ohne Waffen!" Zu sehen ist die Rückseite des Herrenhauses.

Im Detail kann man noch die ehemaligen Rundbögen der Fenster und die Putzbänderung erkennen. Der Dachstuhl des einst mächtigen Krüppelwalmdaches ist eingestürzt, das Haus selber in den Jahren seines Leerstandes seit 1990 völlig verfallen. Im Innern sind Decke und Wände teilweise eingestürzt, und von außen wächst das Haus ringsherum mit Unkraut zu. Nichts vom Glanz aus früherer Zeit ist mehr zu erahnen.

Nun begann die Verwilderung des Ortes, d.h. der gesamte Gutspark wurde dem Erdboden gleichgemacht, das Herrenhaus dem Verfall preisgegeben. Selbst der ehemalige Gartenteich war jahrelang Jauchegrube. Im Erdgeschoss des imposanten Bauwerkes war lange Zeit noch ein KONSUM (Tante-Emma-Laden) untergebracht und in einem Seitenflügel betrieb die Familie Pahl eine kleine Kneipe. Diese beiden einzigen infrastrukturellen Einrichtungen gingen mit dem Voranschreiten des Herrenhausverfalls verloren.
Die Stadtväter von
Nauen versuchten zwar noch mitte der Achtziger durch einen daneben errichteten Neubau die Einkaufsstätte zu erhalten und gleichzeitig einen kulturellen Betätigungsort zu schaffen, aber seit der Wende 1989 ist auch das Geschichte.


  LINKS: So war nach meinen Erkenntnissen der Gutshof Schwanebeck aufgegliedert: Der in Grün gehaltene Bereich stellt den Herrenhausteil mit Park und der bräunliche den Witschaftsteil dar.
Hinter dem Gutshaus erstreckt sich ein mittlerweile größtenteils verlandeter See, der vermutlich in eine frühere gestaltete Gartenanlage integriert war.
Die ursprüngliche Grundstücksgröße des Gutshofes (Park und Wirtschaftshof) belief sich wohl um die 2.100 Quadratmeter.

Henning August Ehrenreich Ludwig Matthias von Bredow (1774 - 1832) ließ den Garten anlegen, der noch hundert Jahre später zu den schönsten des Havellandes gezählt wurde.
RECHTS:
Der zum größten Teil verlandete Guts-Teich im Winter 2001 lässt noch seine einstige Größe erahnen.

Für die wenigen Schulkinder des Ortes wurde extra ein Gebäude um 1870 errichtet. Es beherbergte im linken Flügel die Wohnung des Schulmeisters. Im rechten Teil befand sich das eigentliche Schulzimmer. Es hatte einen separaten Eingang. Vier große, nach Süden gerichtete Fenster sorgten für viel Tageslicht und für damalige Verhältnisse recht fortschrittlichen Lernkomfort für die Einklassenschule. (Kinder aller Klassenstufen wurden in einem Raum unterrichtet.)
Im Jahre 1917 soll ein gewisser Friedrich (Fritz?) Berger Schulmeister bis 1956 gewesen sein. Nachfahren könnten noch in Falkensee beheimatet sein. Der zuletzt um die 70 Jahre alte Lehrer wurde dann von einer Frau Anna Grothe abgelöst. Der reguläre Schulbetrieb nach 1945 beinhaltete die Unterrichtung der Klassen 1 bis 3 in einem Raum und wurde erst um 1965 beendet. Ab jetzt besuchten die Grundschüler die Schule im Nachbarort Groß Behnitz (Ehemaliger Gutssitz des Berliner Fabrikanten Borsig.) und fuhren später dann mit dem Bus nach Nauen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Auflösung des Gutes wurden Um- und Aussiedler aus dem ehemaligen Osten Deutschlands hier angesiedelt. Die meisten stammten aus dem Gebiet um Königsberg (heute russische Exklave Kaliningrad, bei Litauen). Auf so genanntem Bodenreformland errichteten sie ihre kleinen Häuser und Stallungen um in den Sechzigern zwangskollektiviert zu werden.
LINKS: Repro einer Urkunde von 1946 aus der so genannten Bodenreform,
die die Übergabe des enteigneten Bodens im Osten Deutschlands dokumentiert.

Die damalige LPG Typ I (Typ I = Gemeinsame Ackerbewirtschaftung, aber individuelle Viehwirtschaft und ohne gemeinsame Technik) schloss sich aber bald mit der LPG Typ III ( Typ III = Alles wird gemeinschaftlich bewirtschaftet, aber jedes Mitglied hatte das Recht, einen halben Hektar Ackerland privat zu bewirtschaften.) in der Stadt Nauen zusammen.
(Eigentümer der eingebrachten landwirtschaftlichen Flächen und Forsten blieben pro forma die ehemaligen Bauern.)
Deren Sitz war das Gelände in der Dammstraße 8 in Nauen, auf dem heute ein großer Einkaufskomplex steht.

Dieses Zusammengehen war offensichtlich auch das Signal zum Zusammenschluss der beiden Orte im Jahre 1974
(Eingemeindung von Schwanebeck nach Nauen.).

Soweit ich mich erinnern kann, hieß der letzte Schwanebecker Bürgermeister Queißer.


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